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Krem de la Krem

Friday, den 2. February 2024

Zwei Putzfrauen sitzen auf einer millionenschweren Kulturschickeria-Party.
Comedy-Text erarbeitet bzw. geschrieben von Nina Hecklau und Julia Mantel, mehrfach performed im kleinen Rahmen:

N: Ja, ich weiss jetzt gar nicht richtig, was ich hier machen soll.

J: Ich habe mich auf jeden Fall sehr geehrt gefühlt durch die Einladung.

N: Ja, es ist ja auch gut, dass wir uns jetzt- wie sagt man- unters Volk mischen.

J: Und da gibt es noch ein anderes Wort dafür, warte mal, das nennt man
“integrieren”, das kennst Du doch mit den ganzen Immigranten.

N: Aha, migrieren, wir sollen uns jetzt migrieren.

J: Nee, integrieren. Das heißt, wir können jetzt hier dabei sein, meine ich.

N: Ach so, aha, also ich soll mich jetzt hier wie ein Ausländer praktisch verhalten.

J: Nein, aber es ist so: Jetzt guck dir die Leute an! Was machen die?
Die halten sich an ihren Sektgläsern fest und prosten zu, sich gegenseitig.
Und was die eh machen, das ist mir schon als aufgefallen: Händeschütteln,
Händeschütteln, Händeschütteln, dann dem anderen ins Gesicht lachen.

N: Okay, wir sind jetzt…und ich muss ganz ehrlich sagen, ich fühle mich etwas
unwohl, weil die sind ja hier alle so, das sind ja schliesslich die Krem-de-la-Krem-Menschen
und wir sind jetzt hier also eingeladen. Also ich gehe hier jetzt los, schüttel die Hände und dann lache
ich denen ins Gesicht oder wie komme ich hier mit denen ins Gespräch?

J: Nee, das nennt man “übergriffig”, glaube ich. Wir müssen uns dezent und
diskret, das habe ich so gelesen, ich halte mich doch fit mit den ganzen Zeitschriften
und so weiter, wir müssen uns dezent, diskret hier hinsetzen und einfach auch ein
bisschen Sekt schlürfen und vielleicht ergibt sich das ein oder andere Gespräch.
Wir dürfen uns nicht aufdrängen.

N: Wir dürfen auch nicht negativ (negativ ist richtig, ja?) auffallen.

J: Richtig!

N: Wir müssen uns einfach ein bisschen am Riemen reißen. Ich habe hier
nämlich jetzt schon zwei, drei, drin und jetzt muss ich aufpassen.
Bei mir schäumt das nämlich und ich würde jetzt gerne mal einen Witz
erzählen, oder? Aber das ist jetzt nicht richtig.

J: Einen dreckigen, gä?

N: Ja, das wäre jetzt schon gut. Aber ich muss jetzt mal sagen, Schnucki,
pass mal acht- ich finde, Du bist heute großartig angezogen.

J: Du hast Dich auch sehr zurecht gemacht, also vom feinsten.

N: Ne, weißte, Du passt voll ins Bild. Du bist so ne Art exotischer Vogel,
möchte ich fast sagen.
Du bringt ein bisschen Farbe in die Geschichte. Du hast Pink und Orange
miteinander kombiniert, das zeigt ja, du kannst Dich hier reindenken was
jetzt hier vielleicht, wie nennt man diese Worte, was jetzt hier….

J: “up to date” nennt man das.

N: Richtig.

J: Richtig.

J: Das ist halt so: Bei den Krem-de-la-Krem-Mensche…Du musst Dir das
so vorstellen: das ist halt ein bisschen wie bei einer Sekte.

N: He, schnucki, halte mal acht, da hat mir eben einer zugeblinzelt, was
mache ich denn jetzt zurück?

J: Das ist der Anfang!

N: Was mache ich denn jetzt?

J: Ich würde so machen…

N: Winken?!
Okay, ich winke jetzt mal. Guck mal, der freut sich ja richtig! Aber ich geh jetzt nicht hin.

J: Nein, das war`s jetzt.

N: Da habe ich auch ein Wort gelernt: Understatement!

J: Richtig.

N: Richtig.

Beide: Da macht man jetzt so als würde es einem nichts ausmachen.

J: Du bist innerlich total aufgeregt, aber….

N: Was ich noch gehört habe…das musst Du mir jetzt sagen, weil Du bist
ja die Expertin für Society.
Also, wenn man jetzt jemanden kennt und den sieht man dann irgendwo
anders wieder, dann kann man den auch NICHT grüßen.

J: Man muss ihn grüßen!

N: Aber ich habe das so erlebt, dass das auch cool ist, wenn man so tut,
als würde man den NICHT kennen, also nicht so: “Hallo, wie geht’s? Sondern,
dass man sich eher so zurückhält.

J: Richtig, es kommt auf den Grad an. Und es ist auch wichtig zum Beispiel…
da gibt es Worte für: Wenn man zuviel bekannte Leute kennt, darf man die
nicht droppen.

N: Droppe?

J: Fallenlassen. Also: Namedropping nennt man das. Das ist nicht gut.

N: What?

J: Ach, das verstehst Du noch nicht. Das erkläre ich Dir später. Ich mache
es jetzt folgendermaßen: Die Leute, das ist wie eine Sekte. Die kaufen
ihre Klamotten zum Beispiel in den selben Geschäften.

N: Aha!

J: Und wenn die zum Beispiel die Goethestraße langgehen, rennen
die Verkäuferinnen aus den Chanel-Boutiquen und rufen: “Frau Müller,
hier ist unsere neueste Kollektion, die wollte ich Ihnen präsentieren!”
Weil das halt so integrierte Menschen sind.

N: Okay, und wenn ich jetzt da langgehe, kommen die dann auch raus
oder wie?

J: Nein , weil wir noch nicht dazugehören.

N: Wir sind ja auch eher weiter unten angesiedelt wahrscheinlich.

J: Wir gehören halt insofern nicht zu den Krem-de-la-Krem-Menschen,
weil….ich erkläre es Dir: Der Krem-de-la-Krem-Mensch wir gut erzogen,
das heißt, da ist halt Bildung, Manieren, alles vorhanden, dann studiert der
im Ausland, hat per se, das nennt man so, ne brizzelsiche Ausstrahlung,
dann wird der im Ausland da rumgereicht und andauernd Händeschütteln,
Händeschütteln, Händeschütteln.

N: Und was ist das jetzt genau: ne brizzelische Ausstrahlung?

J: Die haben halt von Haus aus das Charisma mit der Muttermilch
aufgesogen.

N: Und dann brizzeln die….?!

J: Das sind hat alles keine Stotterer, die furzen auch nicht in der Öffentlichkeit,
die können sich so verhalten, weil die, so nennt man das “reingeboren” wurden.
Wie soll ich Dir das erklären? Es ist halt klar, dass die ins Ausland gehen, es
geht halt um Posten, Posten, Posten: Also Posten, nicht Post!
Es geht um Jobs. Die haben die brizzelische Ausstrahlung und studieren im Ausland,
kriegen vielleicht noch ein Stipendium, dann wieder Händeschütteln,
Händeschütteln, Händeschütteln, Händeschütteln, rumgereicht, Dinnerparties,
dann kommen die zurück und sind gemachte Leute! Dann kaufen
die noch in den selben Boutiquen die selben Klamotten, schütteln
untereinander nochmal die Hände und dann Job, Job, Job
und vielleicht nochmal ne Podiumsdiskussion oder auch Charity-Events.

N: Was ist das jetzt?

J: Die sagen: Ich habe in meinem Leben soviel Glück gehabt, da
gebe ich jetzt an die Armen etwas weiter, aber die können das
auch von der Steuer absetzen….

N: Hier, pass mal auf, das ist jetzt so ein dichtes geschlossenes…

J: System! heisst das.

N: System. Wie soll jemand wie wir da bloß irgendwie Zugang bekommen?

J: Ich weiß es. Und zwar, wenn die merken, jemand ist herzlich und integer.
Das ist auch so ein Wort.

N: Das kommt von integrieren.

J: Nein, das ist noch etwas anderes. Ich erkläre es Dir später.
Wenn die merken, das jemand aufrichtig ist.
Und dann merken die, der ist engagiert und ehrgeizig. Ich habe
doch bei der einen geputzt und die hat gemerkt, ich habe NICHT geklaut.
Dann schwärmen die von mir und dann biete mich die den anderen glatt
auch noch an. Dann kann ich vielleicht irgendwann mal aufs Haus aufpassen,
wenn die in Urlaub sind und dann krieg ich wieder Geld. So läuft das doch.

N: Aber wie ist das jetzt mit den Klamotten? So wie Du mir das erklärt hast,
haben die doch alle dieselben Klamotten an.

J: Die kaufen halt verschiedene Sachen, aber in denselben Boutiquen.

N: Ja, aber ich kann mir das doch gar nicht leisten. Das scheint ja wie eine
Eintrittskarte zu sein. Wenn ich jetzt meinetwegen das Kleid anhabe, was
die Frau davorne trägt, das sieht total super aus. Jetzt stell Dir doch mal vor,
ich, wie ich so bin, mit meinen abgetragenen Sachen…

J: Also, folgendermaßen: Man kann sich was leihen oder was schenken
lassen, um auch auf so einer Krem-de-la-Krem-Party uffzutrumpfe.
Oder man bleibt authentisch, das ist auch so ein Wort, musste mal googeln!
Und dann sehen die: der Mensch ist integer, der will nichts Böses,
den können wir im Kleinen rumreichen!

N: Aber muss man da nicht irgendwas können, irgendein Kunststück
aufführen? Einfach nur dasitzen, da wir denen doch auch mit uns
langweilig.

J: Ich glaube, der Krem-de-la-Krem-Mensch ist da oben auch manchmal
sehr einsam und will Freunde, die zu einem halten.

N: Das ist total traurig. Das ist echt traurig. Jetzt stelle ich mir das
gerade so vor, mach mal einen Punkt. Warum machen die denn das?

J: Guck, die werden da reingebohren, brizzelige Ausstrahlung, Charisma, gute,
sehr gute Kontakte und dann noch die ganzen Unterlagen, die Zeugnisse, der
Bachelor, die ganzen Auszeichnungen…

N: Bachelor? Ich bin jetzt echt baff. Was du alles weißt.

J: Ich habe mich schlau gemacht.

N: Und wie hast Du Dich schlau gemacht, hast Du immer zugehört?

J: Ja, ich habe zugehört, ich gucke auch so Fernsehserien und lese
die ganzen Zeitschriften und ich kriege das dann auch so alles mit.
Man kann sich auch in die Krem-de-la-Krem reinfühlen.

N: Reinfühlen?

J: Weil es ist so: Da oben, das läuft doch so: Brauchst de nen
Job, nochn Job, nochn Job, dann noch ne Ehrengabe usw. und
dann wissen die doch gar nicht mehr, wem die vertrauen können.
Da wollen sich ja auch viele nur so an die ranheften!

N: Ei ja, die sind ja auch wie ein Magnet mit ihrer brizzeligen
Ausstrahlung. Das merkt ja jeder, da will ja jeder etwas davon
abhaben. Das kann ich mir total gut vorstellen.
Die armen Leute. Die tun mir richtig leid.

J: Die Frau Müller hat mir auch schon mal ihr Sorgen anvertraut
als ich bei ihr geputzt habe und da freut die sich, dass ich so herzlich
war und auch ma paar tipps gegeben habe.

N: Solchen Leuten kannst Du noch Tipps geben? Was hast Du
ihr denn gesagt? Das würde mich interessieren.

J. Ei ja, das ist halt so, wenn Du so nen Typen mit brizzeliger Ausstrahlung
hast-: Erstmal, Du siehst Dich nicht so oft, Du hast zwar das Geld, aber…..

N: Ich hätte ne Idee, da könnte sie sich doch mit ner anderen Freundin
zum Kartenspielen treffen.

J: Das Problem ist nur, das musst Du Dir vorstellen wie so ein
Unternehmen…
Es ist so bei den Kremdelakremmenschen: Da ist Geld im Spiel!
Der Mann immer vielbeschäftigt, die Frau mit der Charity oder
auch mit den ganzen Boutiquen….

N: Ach, okay. Die haben auch selber Boutiquen?

J: Müssen die auch. Weil: Die können nicht nur den
ganzen Tag zu Hause rumhängen und rauchen.

N: So wie wir.

J: Richtig!

N: Aber das macht doch auch Spaß!

J: Aber das ist halt viel komplizierter.
Die haben alles um glücklich zu sein, dem Anschein nach….

N: Was Du wieder alles für Worte benutzt…

J: Ja, ich habe mich halt dademit beschäftigt.

N: Ich merke das schon.

J: Es ist alles nicht so aufregend.

N: Du, ich muss Dir jetzt mal was sagen:
ich bin dir richtig dankbar, dass Du mich
hier mit hergenommen hast.
Ich kann hier richtig was lernen, für mein Leben
auch selber. Da könnte ich richtig aus mir selber
rauswachsen oder irgendetwas machen auch.
Vielleicht mache ich auch mal ne Charity oder so.

J: Dadezu haben wir nicht das nötige Kapital.
Das Geld wird immer mehr, je mehr Du machst,
es gibt auch ein Mehrwert, das habe ich
auch alles nachgelesen. Aber wir können
schon froh sein, wenn wir unseren Status Quo
halten können.

N: Was ist jetzt wieder das?

J: Dass wir halt nicht noch mehr abrutschen!!!

i remember you well

Sunday, den 28. January 2024

Topanga Beach, Kalifornien,
Nuller Jahre.
Der Sand klebt an unseren
nackten Füßen.

Ein Obdachloser klebt
nebenan halbnackt
auf einer Bank.
“i had them all, ”
krächzt er
fast unverständlich.
“i fucked at least
thousands of women”.
Er hebt die Flasche
an seinen Mund und
bringt sich so zum
Schweigen.

“i had only two”
antwortest du
in deiner leisen Art.
Klingt irgendwie
nach dem
eigentlichen Victory
in meinen Ohren.

“forever” flüstert
uns das Schicksal
hier entgegen und
reckt ein bisschen
zu überstürzt
& siegessicher
zwei Finger
in die Luft.

Call him Mr. Spam

Wednesday, den 3. January 2024

Beim Telefonat mit
meiner Tante
fragt sie mich plötzlich,
ob ich eigentlich
diesen „Herrn Spam“
kennen würde,
der ihr immer schriebe,
ob ich wüßte,
wer das sei.

Lange
nicht mehr so
verzweifelt
meinerseits mit dem
Kopf geschüttelt.

Das würde ich selber
gerne herausfinden,
liebe Tante.

‚Ach‘, weißt Du,
schlage ich ihr vor,
‚vielleicht antworten
wir ihm mal gemeinsam.
Vielleicht käme er
dann irgendwann
neben dem penetranten
Anbieten von Penisverlängerungen,
Fettabsaugemethoden
und dem hysterischen
Propagieren vom
Kauf einer Solaranlage
für das Eigenheim
das zum Beispiel
ich erst gar nicht besitze
endlich mal auf
richtig brillante
bzw. weiterführende Ideen.“

HORCHDOCHLORCH

Saturday, den 25. November 2023

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Broschüre entstanden im Rahmen des Projekts “Land in Sicht: Autor*innen-residenzen im ländlichen Raum” des Hessischen Literaturrats e. V. in Kooperation mit der Stadt Lorch und dem ehemaligen Weingut Troitzsch-Pusinelli.
Mit freundlicher Unterstützung des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst

Land-in-Sicht-Abschlusslesung in Lorch// 18. November 2023 um 18h im Hilchenhaus

Friday, den 27. October 2023

Eflyer1

Eflyer2

Brandaktuelles Pressephoto (Fotografin: Ramune Pigagaite)

Wednesday, den 25. October 2023

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Photo-Credit: Ramune Pigagaite

Im Auftrag von Hessischer Literaturrat e. V. im Zuge des Land-in-Sicht-Stipendium (Lorch)

Verlagsprogramm Edition Faust// Buchmessenstand in Halle 3.1. C56

Monday, den 16. October 2023

Verlagsprogramm-Edition-Faust
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Presse LAND-IN-SICHT-Stipendium (Rheingau-Echo/ Wiesbadener Kurier)

Monday, den 16. October 2023

Rheingau-Echo-Artikel

Wiesbadener-Kurier-Artikel

(v)erfolg(t)

Friday, den 22. September 2023

Er ist nicht plötzlich über Nacht gekommen, aber
jetzt ist er da: der Erfolg.
Wer oder was folgt wohl auf den Erfolg?
Der Erfolger?
Wir sind das Volk. Er ist Volker.
Er folgt. Wir folgen.
Wir verfolgen unsere Erfolge.
Der Status Quo muss nun gehalten werden.
Diese Ankündigung bitte vormerken und in cc setzen:
Erfolg ist eine Droge.
Er ist die Flamme, in die Du dauernd
Holzscheite werfen musst, damit sie glühen,
auch wenn Du eigentlich längst schlafen gehen solltest.
Er ist die aufgeregte Dauerbefeuerung
in der Warteschleife.

“Ich schaffe es, ich schaffe es!”
brüllt die Herde einzeln
mit geballter Faust
dem Motivationstrainer
im Fernsehen entgegen.

Autobiographie einer Bisswunde

Thursday, den 21. September 2023

Es ist allgemein bekannt:
Hollywoods Bewohner
& Bewohnerinnen
wollen in den meisten Fällen
zu einer bestimmten
Clique gehören.
Verzweifelt sitzen
diese Sehnsüchtigen
bei ihren Therapierenden
und zahlen viele Dollars.
Nur selten werden
ihre Gebete erhört.

In meinem Heimatort
wollten auch immer alle
zu einer bestimmten
Clique gehören.
Diese Clique führte
jeden Abend gemeinsam
ihre Hunde aus.

Regelmäßig hörte ich ihr Bellen.

„Hunde, die bellen, beißen nicht“,
heißt es immer.

Ich bin eigentlich gerne alleine.
Da kann ich besser nachdenken.

Doch komisch:

Noch heute wache ich
nach jedem Albtraum auf
und die Bisswunde
an meiner Schulter
hört nicht auf zu bluten.