unter der woche
Wednesday, den 7. May 20142, 3 termine im kalender,
nacheinander & erledigt
am abend wieder müde
die beine & die high heels hochgelegt
aus dem fenster der blick
fällt weit hinter die stadt.
2, 3 termine im kalender,
nacheinander & erledigt
am abend wieder müde
die beine & die high heels hochgelegt
aus dem fenster der blick
fällt weit hinter die stadt.
es greift nach hinten
der nacken, ein stier
und atmen kann ich
erst wenn ich tot bin
manche sachen sollte man
hinter sich lassen, einfach gestrickt
oder auch schwer
es greift nach hinten,
die lehne, das auto, der gang
“kannst du eigentlich auch mal so laufen,
dass es nicht so gut aussieht?”
fragen die kinder auf der strasse.
hätte sich der weg geebnet
dieses jahr eine qualität
die sich durchsetzt
fliegen die blätter vom boden
drüber weg
und verbrennen in der schimmbadsonne
YOU REMIND ME OF SCHOOL
du bist so eine mischung quasi
aus allem was ich erlebt/
aus jedem den ich gekannt
habe/ aus jeder erfahrung
heiter wie bitter wie eiter
wie eigentlich weiter?
& nach den letzten vollnarkosen
liege ich sexy auf dem op-tisch
& bekomme erst später
eine zerstückelte sms
aus deinem büro/
wiedermal gibt alles den ton an.
& plötzlich steht die see still
& du wirfst mit letzter kraft ein paar
anglerhaken hinter den horizont,
mal gucken, wer sich wie
wohinter versteckt hat.
zu schwach, um jemanden
mit ins boot zu holen,
das handy fällt ins wasser &
ein letztes mal spielt es für dich
“fische versenken”
auf dem klingelton-
und du-
du summst kaum hörbar mit.
es ist schon komisch, die ebbe
kommt nach der flut, zwischen uns
plus minus gegen null, eine rechnung,
die nicht aufgeht und ich weiss nicht,
wohin du treibst, romantik ist etwas,
das zwischen zwei menschen entsteht &
du streust jetzt dein lachen in die manege,
“was machst du den ganzen tag?” fragst du
mich leise, “ach, weisst du”, sage ich,
“ich bin wie immer vielbeschäftigt:
8 stunden masturbation.”
Kurt Drawert im Interview: Schreiben ist eine Lebensweise
Wie entkommt man dem Nichts? Das sind so die Fragen, die Kurt Drawert mit den Autoren seiner Textwerkstatt wälzt. Das hilft nicht nur dem Nachwuchs, sondern auch ihm selbst weiter, sagt der Autor. Kurt Drawert (57) ist nicht nur Schriftsteller – er ist auch in der Autorenförderung tätig. Seit 15 Jahren leitet er die Textwerkstatt im Darmstädter Literaturhaus, aus deren Texten er die Anthologie „Kasinostraße 3“ zusammengestellt hat.
DARMSTADT.
ECHO: Herr Drawert, die Anthologie „Kasinostraße 3“ enthält Texte von über 25 Autorinnen und Autoren. Wie viele Teilnehmer haben Sie enttäuschen müssen mit der Nachricht, dass sie in dem Buch nicht vorkommen?
Kurt Drawert: Ich hoffe, niemanden. Die Textwerkstatt ist ein über fünfzehn Jahre gewachsenes Kulturprodukt, eine Institution zur Förderung junger literarischer Talente von überregionaler Bedeutung, die sich in ihrer Geschlossenheit zeigt. Und jeder Einzelne ist Teil dieses Ganzen, hat von uns partizipiert und selbst dazu beigetragen, dass wir heute sind, was wir sind. Eine Akkumulation von Bildung, Wissen, Erfahrung und Kreativität, kurz, ein Kraftfeld, das in die Gesellschaft zurückwirkt. Das wollte ich mit der Anthologie zeigen. Das ist naturgemäß nicht gerecht im Sinne von: Dieser oder jener Autor hätte ebenso vertreten sein können. Außerdem haben wir ja unsere Zweijahresschriften, die alles dokumentieren, was in dieser Zeit bei uns so passiert ist. Und es muss ja nun wirklich nicht auch alles gedruckt werden, was irgendwo geschrieben steht. Eine Anthologie herauszubringen heißt also immer auch, eine Auswahl zu treffen, Maßstäbe zu setzen, Werte zu behaupten. Da kann man es nie allen Recht machen. Zumal Autoren nicht wirklich verstehen, warum auch die anderen schreiben. Das ist einfach so. Liebenswert und problematisch in einem.
ECHO: Welches sind die wichtigsten Fähigkeiten, die Sie vermitteln können?
Drawert: Das müssten Sie jetzt andere fragen, denn ich weiß es tatsächlich nicht. Aber es muss ja etwas sein, sonst würden die Schreibenden nicht aus allen Teilen Deutschlands kommen. Und es muss mehr sein als nur die Vermittlung von Handwerk und einiger technischer Fertigkeiten, die man sich natürlich aneignen kann und die zu beherrschen auch nicht gerade schadet. Es muss etwas sein, das auf eine tiefe Verborgenheit verweist, aus der heraus Literatur überhaupt erst entsteht. Die Freiheit zur Überschreitung eines vorproduzierten gesellschaftlichen Sprechens zum Beispiel. Etwas in dieser auch das Unbewusste zum Vorschein bringenden Art. Denn ein Text, ein Gedicht zum Beispiel, ist ja nie nur die Summe seiner sprachlichen Teile, sondern er besitzt einen Überschuss. Wie und wodurch, das ist die Frage, die hier alles entscheidet.
ECHO: Welches sind die wichtigsten Talente, die man für diese Vermittlung einsetzen kann?
Drawert: Erfahrung und Intuition. Die Fähigkeit, die Texte dort zu empfangen, wo sie nicht mehr geschrieben worden sind, sondern sich im Schatten der Sprache ereignen und eine Bedeutung entfalten, wie sie kein funktionaler Text je erreicht. Der Leser von Literatur und besonders von Lyrik ist also immer auch ein Autor des Autors, denn er muss die Leerstellen füllen, die ein Text braucht, um im Bekannten das Andere, Fremde, Unerwartete zu finden. Diese Fähigkeit zur Imagination geht mit der Entwicklung des Menschen einher, das und nichts sonst ist der tiefere Sinn von Literatur – die Funktion des Imaginären in Bewegung zu halten. Der Rest ist Schönheit im sprachlichen Bild, und sie braucht auch keine Rechtfertigungen oder Beweise.
ECHO: Haben sich in 15 Jahren die Themen verändert, mit denen Autoren sich beschäftigen?
Drawert: Das ist eine gute Frage. Aber ich weiß es nicht. Vielleicht, weil mich Inhalte nur wenig interessieren. Nicht als Leser, wo ich dann gleich lieber Sachbücher lese oder Philosophie, sondern als, nun ja, Werkstattleiter oder wie man das nennen soll. Wie ein Text gebaut ist, entscheidet darüber, ob, was er sagt, auch geglaubt werden kann. Die beste Absicht nützt ja nichts, wenn sie ihre Form nicht findet. Wir wollen ergriffen sein von einer Geschichte und ein Gefühl davon haben, was gefühlt worden ist. Das ist nur im Stil zu erreichen, in der besonderen Art und Weise eines ästhetischen Sprechens. Und darüber möchte ich reden. Was einer von sich und der Welt mitzuteilen hat, das kann er ja auch ohne mich tun. Da habe ich ihm nicht reinzureden. Wir sind ja keine Selbsthilfegruppe oder dergleichen.
Dennoch glaube ich, dass die großen Fragen der Existenz auch die üblichen einer jeden neuen Literatur sind: Wer ist man warum geworden und wie entkommt man dem Nichts? Orte, Zeiten und Situationen sind austauschbar.
ECHO: Hat sich Ihr eigener Blick auf Literatur durch die Arbeit in der Textwerkstatt verändert?
Drawert: Nein, ich denke nicht. Ich suche die Beschreibung des Abwesenden, ob in den Texten der Autoren meiner Werkstatt oder in jedem guten Buch. Und manchmal finde ich sie, und das macht mich glücklich. Etwas anderes ist, ob die Vorstellung, die in dem Begriff von Literatur gesellschaftlich kursiert, deckungsgleich ist mit der, die ich davon habe. Literatur ist ja kein Objekt, das so und nicht anders funktioniert, sondern immer ein Diskursprodukt, und sie begründet sich permanent neu. Wenn eines Tages nur noch Internetsprache mit ihren verheerenden Abkürzungen zur Literatur erklärt würde, weil es eine Mehrheit behauptet, könnte ich mich auf dem Kopf stellen und mit den Füßen Fliegen fangen, nicht und niemals aber das Gegenteil beweisen. Wie auch? Es gibt ja jetzt schon SMS-Romane, und nur der Allergütigste weiß, was daran noch literarisch sein soll.
ECHO: Hat man irgendwann ausgelernt? Oder braucht auch Kurt Drawert gelegentlich Rat beim Schreiben, und wo holt er ihn?
Drawert: Natürlich lernt man nie aus. Das wäre ja so furchtbar wie die Erfüllung eines Begehrens, der nur noch die Leere folgen kann oder der Tod. Schreiben ist eine Lebensweise, eine Praxis, eine fortwährende Verwirklichung des Subjekts. Diese Möglichkeit, mit und durch Sprache ein anderer zu werden, ist grandios. Und ja, ich hole mir Rat. Mit jeder Stunde meiner Textwerkstatt, in jedem Seminar. Denn im Grunde weiß ich auch nicht, wie das alles entsteht und wohin es unterwegs ist. Aber ich kann es entdeckt und gefördert haben, und das ist wirklich sehr viel.
ECHO: Wie geht es mit der Darmstädter Textwerkstatt weiter? Noch einmal fünfzehn Jahre vielleicht?
Drawert: Wenn ich hundert werde, höre ich auf. Das habe ich mir vorgenommen. Auf jeden Fall müssen wir kleiner werden, begrenzter. Ich bin ja ein Einmannbetrieb, unterstützt von der wunderbaren Lyrikerin Martina Weber und den hilfsbereiten Kollegen im Kulturamt. Nur rechnen Sie mal zusammen, wie viele Autoren, Veranstaltungen, Korrespondenzen etcetera bei mir zusammenlaufen. Und es werden von Jahr zu Jahr mehr. Dankenswerterweise natürlich. Aber Begrenzungen sind ja auch sinnvoll und steigern die Qualität. Und nur darum soll es uns gehen.
und du bekommst spam-
nachrichten aus der ganzen welt,
die menschen sind heute
so verstreut, wenige hotelzimmer
als fluchtpunkte, ein kuss, der traf,
der sein ziel nicht verfehlte, bitte vergiss
mich nicht: ich erinnere mich
an alles: unerpressbar.
kann dir nichts sagen, mal
wieder, fällt der schnee von früher,
nicht nur der von gestern, du lässt
keine zeit, mich zu entdecken,
an die heldentaten aus der kindheit
erinnern sich die anderen mit
verpickelten gesichtern, schau mal,
mein busen tut weh und wächst
über sich hinaus, wenn du mich
wirklich willst, dann google
mich doch oder fang mich kurz vor
dem hola.
Liebe Freunde und Bekannte,
ganz herzlich möchten wir euch zu unserer 5. und letzten Veranstaltung in unser Atelier in die Moselstraße 45 einladen. Am Samstag den 30. Nov. ab 21 Uhr hören wir zunächst Dirk Krecker mit seinem Stück “dirty dogs running outdoor seen from across the lake”, danach lesen die Poeten Julia Mantel und Joachim Durrang aus ihren Stücken.
Auf der anschließenden Party erwarten euch Zentralkomitee, Mobarek Banuni und zero.O an den turntables.
Unsere Moselbar öffnet bereits um 19 Uhr und erwartet euch mit gekühlten Getränken.
Wir freuen uns sehr auf euer Kommen
Michel und Jens
MOSEL 45
30.Nov. Bar ab 19 Uhr / Konzert mit Dirk Krecker, Lesung mit Julia Mantel und Joachim Durrang um 21 Uhr / Party ab 23 Uhr
Neue Reihe „Undercover“ will modernen Gedichten wieder Leben einhauchen
Die Lyrik hat es schwer, gilt sie doch weithin als sperrig, elitär und antiquiert. Um diese oft verschmähte Literaturgattung zu beleben und sie populärer zu machen, luden Autoren aus Frankfurt und Offenbach ins Blaue Haus am Mainufer zur ungewöhnlichen Lyriklesung namens „Undercover“.
Niederrad.
Es sollte keine „Wasserglaslesung im Elfenbeinturm“ werden, erklärte Marcus Roloff, Frankfurter Autor, Übersetzer und Lektor. Außerdem sollte es „um die Gedichte selbst gehen“, wie es eine weitere Autorin, Sandra Klose, Abiturientin aus Offenbach, formulierte. Zur Lyriklesung „Undercover. Frankfurter Autoren und ihre Lieblingsgedichte“ lud man das Publikum am Donnerstagabend daher ins Blaue Hause am Niederräder Mainufer - einen Ort, der für eher ungewöhnliche, aber moderne Kulturveranstaltungen bekannt ist. Und die Namen der Autoren, deren Gedichte vorgetragen wurden, verschwieg man vor und während der Lesung, um einer vorschnellen Wertung seitens des Publikums vorzubeugen. Inhalt und Form der Gedichte sollten für sich selbst sprechen. Es waren nämlich keine Werke von Roloff, Klose oder den beiden anderen Frankfurter Autoren, Julia Mantel und Martin Piekar, sondern Lieblingsgedichte dieses Quartetts, die in den vergangenen zwei Jahren veröffentlicht wurden.
Sie wollten „eine Lanze brechen“ für die moderne Lyrik, sagte Julia Mantel, denn die Lyrik habe es schwer: Es ließe sich kein Geld damit verdienen, weshalb Verlage pleitegingen. Marcus Roloff verdeutlichte das Dilemma: „Die Leute, die Lyrik kaufen, sind meistens auch die, die Lyrik schreiben“ - ein kleiner Zirkel also, gilt die Lyrik doch vielen als das ungeliebte Stiefkind unter den Literaturgattungen.
Zu elitär?
Zu sperrig, schwer verständlich und antiquiert lautet die Kritik häufig, zumal die Assoziationen meist unbeliebte Begriffe aus der Lyrikanalyse wachrufen: Alexandriner und Hexameter, Jambus oder Zäsur. Müßige Stunden aus dem Deutschunterricht oder dem Grundseminar der Germanistik werden da wach sowie Namen, die im Zeitalter der Popkultur nicht eben „angesagt“ sind: Goethe und Schiller, Heine und Celan - Männer mit Feinsinn für Glück und Schönheit zwar, aber auch für das Dunkle, Morbide und vor allem das Komplizierte. Der Vorwurf des Elitären eilt der Lyrik stets voraus, von Roloff mit der „Wasserglaslesung im Elfenbeinturm“ benannt.
Die Undercover-Lesung hielt man deswegen mit dem Vorsatz ab, Lyrik populärer zu machen, weshalb moderne Texte und die Interaktion mit dem Publikum in den Vordergrund rückten. Nach jedem Gedicht wurde abgestimmt, ob aus dem jeweiligen Gedichtband noch ein weiteres Stück Poesie gehört werden sollte. Und es wurde diskutiert, was an dem Text gemocht wurde und was nicht.
Viele Gespräche
Moderator und Initiator Jannis Plastargias sowie die vier Autoren debattierten so mit immerhin über 30, sich rege mitteilenden Lyrik-Interessierten über Sinn und Unsinn eines Schriftbildes in reiner Kleinschreibung, den Einsatz des Et-Zeichens, (&) anstatt eines ausgeschriebenen „und“ oder ob Textpassagen als ironisch oder als kitschig zu bewerten wären. Zwar ging es mitunter auch dabei etwas kompliziert zu, doch blieb die Atmosphäre stets locker und wenig elitär.
Zum beliebtesten Gedichtband wurde am Ende „Ich lebe in einem Wasserturm am Meer, was albern ist“ von Carl-Christian Elze gewählt, erschienen im Verlag Luxbooks aus Wiesbaden. Dass der daraus zuletzt vorgetragene Text ausgerechnet von kopulierenden Fliegen handelte - wobei der Begriff kopulieren hier ein sehr umgangssprachliches Wort ersetzt - sorgte für Verstimmung und Freude gleichermaßen: Er zeigte eindrücklich auf, wie nahe sich Ordinäres und Zartes in heutiger Lyrik sein können.
Jannis Plastargias freute sich hinterher, dass sogar mehr geredet wurde, als er gedacht hätte, womit sich das Ziel der Lesung, das Gespräch über Lyrik zu beleben, also erfüllte. Einer angekündigten Wiederholung des Abends steht nichts im Weg.
(Thorben Pehlemann)
Frankfurter Neue Presse vom 26. Oktober 2013