Monatsarchiv für February 2024

cherry cherry lady

Monday, den 19. February 2024

Ein sehr kluger
und erfahrener
Zeitgenosse
verriet mir einmal
das Geheimnis
eines gelungenen
Lebens:

“Glaub mir,
am Sterbebett
blicken diejenigen
Menschen
am glücklichsten
und beseeltesten
auf ihre Vergangenheit
zurück, die während
ihres langen Weges
am wenigsten dabei
auf andere
geguckt und sich
mit ihnen verglichen
haben.”

“Wir unterhalten
uns zu Tode”
hieß einmal
ein Bestseller
von Neil Postman.
Meine Eltern
schenkten ihn mir
sogar zu Weihnachten.

Die Kirschen in Nachbars
Garten sind immer süßer
sollen wir finden.

Draußen duften
die Kirschbäume.
Ihre kostbaren
Blüten wehen
in meine Fenster.

Warum liegt
eigentlich immer noch
jeden Morgen
das Smartphone
neben mir
beim Aufwachen?

Tausche Täuschung

Saturday, den 17. February 2024

Das Rad der Geschichte
die sich nicht
mehr erzählen läßt
dreht sich immer
schneller und schneller
Karussell, Karussell

auch Einsame wollen flirten
wenn der Computer
seinen Geist aufgibt
bekommen wir Todesangst
und genauso Schweißausbrüche
wenn wir nach
dem Weg fragen müssen
denn niemand antwort mehr
die Tussen
in den Bussen sagen
guck doch in Dein Handy,
Du Depp

Selbstoptimierung ist
keine Lösung
ich habe es inzwischen be-
griffen
gar keine Optimierung
aber irgendwie auch nicht

mein Taktstock
ist außer Rand und Band
was passiert
passiert sofort
oder gar nicht

wer gibt uns bitte
unsere Teestunden
zurück
das Gespräch
beim Zuckerumrühren
bis die Keramik
laut kratzt &
beinahe aufplatzt

auch hätte ich
nichts gegen
die unschuldige Melancholie
eines Tracy-Chapman-Songs
einzuwenden
gäbe alles darum
sie einzutauschen
gegen die
Multikrisen
der heutigen Zeit

es wird nicht besser
bis wir die Messer
nicht mehr wetzen.

LESUNG IM FEBRUAR// Literaturquickie in Hamburg

Tuesday, den 13. February 2024

literaturquickie-flyer

Monday, den 12. February 2024

Krem de la Krem

Friday, den 2. February 2024

Zwei Putzfrauen sitzen auf einer millionenschweren Kulturschickeria-Party.
Comedy-Text erarbeitet bzw. geschrieben von Nina Hecklau und Julia Mantel, mehrfach performed im kleinen Rahmen:

N: Ja, ich weiss jetzt gar nicht richtig, was ich hier machen soll.

J: Ich habe mich auf jeden Fall sehr geehrt gefühlt durch die Einladung.

N: Ja, es ist ja auch gut, dass wir uns jetzt- wie sagt man- unters Volk mischen.

J: Und da gibt es noch ein anderes Wort dafür, warte mal, das nennt man
“integrieren”, das kennst Du doch mit den ganzen Immigranten.

N: Aha, migrieren, wir sollen uns jetzt migrieren.

J: Nee, integrieren. Das heißt, wir können jetzt hier dabei sein, meine ich.

N: Ach so, aha, also ich soll mich jetzt hier wie ein Ausländer praktisch verhalten.

J: Nein, aber es ist so: Jetzt guck dir die Leute an! Was machen die?
Die halten sich an ihren Sektgläsern fest und prosten zu, sich gegenseitig.
Und was die eh machen, das ist mir schon als aufgefallen: Händeschütteln,
Händeschütteln, Händeschütteln, dann dem anderen ins Gesicht lachen.

N: Okay, wir sind jetzt…und ich muss ganz ehrlich sagen, ich fühle mich etwas
unwohl, weil die sind ja hier alle so, das sind ja schliesslich die Krem-de-la-Krem-Menschen
und wir sind jetzt hier also eingeladen. Also ich gehe hier jetzt los, schüttel die Hände und dann lache
ich denen ins Gesicht oder wie komme ich hier mit denen ins Gespräch?

J: Nee, das nennt man “übergriffig”, glaube ich. Wir müssen uns dezent und
diskret, das habe ich so gelesen, ich halte mich doch fit mit den ganzen Zeitschriften
und so weiter, wir müssen uns dezent, diskret hier hinsetzen und einfach auch ein
bisschen Sekt schlürfen und vielleicht ergibt sich das ein oder andere Gespräch.
Wir dürfen uns nicht aufdrängen.

N: Wir dürfen auch nicht negativ (negativ ist richtig, ja?) auffallen.

J: Richtig!

N: Wir müssen uns einfach ein bisschen am Riemen reißen. Ich habe hier
nämlich jetzt schon zwei, drei, drin und jetzt muss ich aufpassen.
Bei mir schäumt das nämlich und ich würde jetzt gerne mal einen Witz
erzählen, oder? Aber das ist jetzt nicht richtig.

J: Einen dreckigen, gä?

N: Ja, das wäre jetzt schon gut. Aber ich muss jetzt mal sagen, Schnucki,
pass mal acht- ich finde, Du bist heute großartig angezogen.

J: Du hast Dich auch sehr zurecht gemacht, also vom feinsten.

N: Ne, weißte, Du passt voll ins Bild. Du bist so ne Art exotischer Vogel,
möchte ich fast sagen.
Du bringt ein bisschen Farbe in die Geschichte. Du hast Pink und Orange
miteinander kombiniert, das zeigt ja, du kannst Dich hier reindenken was
jetzt hier vielleicht, wie nennt man diese Worte, was jetzt hier….

J: “up to date” nennt man das.

N: Richtig.

J: Richtig.

J: Das ist halt so: Bei den Krem-de-la-Krem-Mensche…Du musst Dir das
so vorstellen: das ist halt ein bisschen wie bei einer Sekte.

N: He, schnucki, halte mal acht, da hat mir eben einer zugeblinzelt, was
mache ich denn jetzt zurück?

J: Das ist der Anfang!

N: Was mache ich denn jetzt?

J: Ich würde so machen…

N: Winken?!
Okay, ich winke jetzt mal. Guck mal, der freut sich ja richtig! Aber ich geh jetzt nicht hin.

J: Nein, das war`s jetzt.

N: Da habe ich auch ein Wort gelernt: Understatement!

J: Richtig.

N: Richtig.

Beide: Da macht man jetzt so als würde es einem nichts ausmachen.

J: Du bist innerlich total aufgeregt, aber….

N: Was ich noch gehört habe…das musst Du mir jetzt sagen, weil Du bist
ja die Expertin für Society.
Also, wenn man jetzt jemanden kennt und den sieht man dann irgendwo
anders wieder, dann kann man den auch NICHT grüßen.

J: Man muss ihn grüßen!

N: Aber ich habe das so erlebt, dass das auch cool ist, wenn man so tut,
als würde man den NICHT kennen, also nicht so: “Hallo, wie geht’s? Sondern,
dass man sich eher so zurückhält.

J: Richtig, es kommt auf den Grad an. Und es ist auch wichtig zum Beispiel…
da gibt es Worte für: Wenn man zuviel bekannte Leute kennt, darf man die
nicht droppen.

N: Droppe?

J: Fallenlassen. Also: Namedropping nennt man das. Das ist nicht gut.

N: What?

J: Ach, das verstehst Du noch nicht. Das erkläre ich Dir später. Ich mache
es jetzt folgendermaßen: Die Leute, das ist wie eine Sekte. Die kaufen
ihre Klamotten zum Beispiel in den selben Geschäften.

N: Aha!

J: Und wenn die zum Beispiel die Goethestraße langgehen, rennen
die Verkäuferinnen aus den Chanel-Boutiquen und rufen: “Frau Müller,
hier ist unsere neueste Kollektion, die wollte ich Ihnen präsentieren!”
Weil das halt so integrierte Menschen sind.

N: Okay, und wenn ich jetzt da langgehe, kommen die dann auch raus
oder wie?

J: Nein , weil wir noch nicht dazugehören.

N: Wir sind ja auch eher weiter unten angesiedelt wahrscheinlich.

J: Wir gehören halt insofern nicht zu den Krem-de-la-Krem-Menschen,
weil….ich erkläre es Dir: Der Krem-de-la-Krem-Mensch wir gut erzogen,
das heißt, da ist halt Bildung, Manieren, alles vorhanden, dann studiert der
im Ausland, hat per se, das nennt man so, ne brizzelsiche Ausstrahlung,
dann wird der im Ausland da rumgereicht und andauernd Händeschütteln,
Händeschütteln, Händeschütteln.

N: Und was ist das jetzt genau: ne brizzelische Ausstrahlung?

J: Die haben halt von Haus aus das Charisma mit der Muttermilch
aufgesogen.

N: Und dann brizzeln die….?!

J: Das sind hat alles keine Stotterer, die furzen auch nicht in der Öffentlichkeit,
die können sich so verhalten, weil die, so nennt man das “reingeboren” wurden.
Wie soll ich Dir das erklären? Es ist halt klar, dass die ins Ausland gehen, es
geht halt um Posten, Posten, Posten: Also Posten, nicht Post!
Es geht um Jobs. Die haben die brizzelische Ausstrahlung und studieren im Ausland,
kriegen vielleicht noch ein Stipendium, dann wieder Händeschütteln,
Händeschütteln, Händeschütteln, Händeschütteln, rumgereicht, Dinnerparties,
dann kommen die zurück und sind gemachte Leute! Dann kaufen
die noch in den selben Boutiquen die selben Klamotten, schütteln
untereinander nochmal die Hände und dann Job, Job, Job
und vielleicht nochmal ne Podiumsdiskussion oder auch Charity-Events.

N: Was ist das jetzt?

J: Die sagen: Ich habe in meinem Leben soviel Glück gehabt, da
gebe ich jetzt an die Armen etwas weiter, aber die können das
auch von der Steuer absetzen….

N: Hier, pass mal auf, das ist jetzt so ein dichtes geschlossenes…

J: System! heisst das.

N: System. Wie soll jemand wie wir da bloß irgendwie Zugang bekommen?

J: Ich weiß es. Und zwar, wenn die merken, jemand ist herzlich und integer.
Das ist auch so ein Wort.

N: Das kommt von integrieren.

J: Nein, das ist noch etwas anderes. Ich erkläre es Dir später.
Wenn die merken, das jemand aufrichtig ist.
Und dann merken die, der ist engagiert und ehrgeizig. Ich habe
doch bei der einen geputzt und die hat gemerkt, ich habe NICHT geklaut.
Dann schwärmen die von mir und dann biete mich die den anderen glatt
auch noch an. Dann kann ich vielleicht irgendwann mal aufs Haus aufpassen,
wenn die in Urlaub sind und dann krieg ich wieder Geld. So läuft das doch.

N: Aber wie ist das jetzt mit den Klamotten? So wie Du mir das erklärt hast,
haben die doch alle dieselben Klamotten an.

J: Die kaufen halt verschiedene Sachen, aber in denselben Boutiquen.

N: Ja, aber ich kann mir das doch gar nicht leisten. Das scheint ja wie eine
Eintrittskarte zu sein. Wenn ich jetzt meinetwegen das Kleid anhabe, was
die Frau davorne trägt, das sieht total super aus. Jetzt stell Dir doch mal vor,
ich, wie ich so bin, mit meinen abgetragenen Sachen…

J: Also, folgendermaßen: Man kann sich was leihen oder was schenken
lassen, um auch auf so einer Krem-de-la-Krem-Party uffzutrumpfe.
Oder man bleibt authentisch, das ist auch so ein Wort, musste mal googeln!
Und dann sehen die: der Mensch ist integer, der will nichts Böses,
den können wir im Kleinen rumreichen!

N: Aber muss man da nicht irgendwas können, irgendein Kunststück
aufführen? Einfach nur dasitzen, da wir denen doch auch mit uns
langweilig.

J: Ich glaube, der Krem-de-la-Krem-Mensch ist da oben auch manchmal
sehr einsam und will Freunde, die zu einem halten.

N: Das ist total traurig. Das ist echt traurig. Jetzt stelle ich mir das
gerade so vor, mach mal einen Punkt. Warum machen die denn das?

J: Guck, die werden da reingebohren, brizzelige Ausstrahlung, Charisma, gute,
sehr gute Kontakte und dann noch die ganzen Unterlagen, die Zeugnisse, der
Bachelor, die ganzen Auszeichnungen…

N: Bachelor? Ich bin jetzt echt baff. Was du alles weißt.

J: Ich habe mich schlau gemacht.

N: Und wie hast Du Dich schlau gemacht, hast Du immer zugehört?

J: Ja, ich habe zugehört, ich gucke auch so Fernsehserien und lese
die ganzen Zeitschriften und ich kriege das dann auch so alles mit.
Man kann sich auch in die Krem-de-la-Krem reinfühlen.

N: Reinfühlen?

J: Weil es ist so: Da oben, das läuft doch so: Brauchst de nen
Job, nochn Job, nochn Job, dann noch ne Ehrengabe usw. und
dann wissen die doch gar nicht mehr, wem die vertrauen können.
Da wollen sich ja auch viele nur so an die ranheften!

N: Ei ja, die sind ja auch wie ein Magnet mit ihrer brizzeligen
Ausstrahlung. Das merkt ja jeder, da will ja jeder etwas davon
abhaben. Das kann ich mir total gut vorstellen.
Die armen Leute. Die tun mir richtig leid.

J: Die Frau Müller hat mir auch schon mal ihr Sorgen anvertraut
als ich bei ihr geputzt habe und da freut die sich, dass ich so herzlich
war und auch ma paar tipps gegeben habe.

N: Solchen Leuten kannst Du noch Tipps geben? Was hast Du
ihr denn gesagt? Das würde mich interessieren.

J. Ei ja, das ist halt so, wenn Du so nen Typen mit brizzeliger Ausstrahlung
hast-: Erstmal, Du siehst Dich nicht so oft, Du hast zwar das Geld, aber…..

N: Ich hätte ne Idee, da könnte sie sich doch mit ner anderen Freundin
zum Kartenspielen treffen.

J: Das Problem ist nur, das musst Du Dir vorstellen wie so ein
Unternehmen…
Es ist so bei den Kremdelakremmenschen: Da ist Geld im Spiel!
Der Mann immer vielbeschäftigt, die Frau mit der Charity oder
auch mit den ganzen Boutiquen….

N: Ach, okay. Die haben auch selber Boutiquen?

J: Müssen die auch. Weil: Die können nicht nur den
ganzen Tag zu Hause rumhängen und rauchen.

N: So wie wir.

J: Richtig!

N: Aber das macht doch auch Spaß!

J: Aber das ist halt viel komplizierter.
Die haben alles um glücklich zu sein, dem Anschein nach….

N: Was Du wieder alles für Worte benutzt…

J: Ja, ich habe mich halt dademit beschäftigt.

N: Ich merke das schon.

J: Es ist alles nicht so aufregend.

N: Du, ich muss Dir jetzt mal was sagen:
ich bin dir richtig dankbar, dass Du mich
hier mit hergenommen hast.
Ich kann hier richtig was lernen, für mein Leben
auch selber. Da könnte ich richtig aus mir selber
rauswachsen oder irgendetwas machen auch.
Vielleicht mache ich auch mal ne Charity oder so.

J: Dadezu haben wir nicht das nötige Kapital.
Das Geld wird immer mehr, je mehr Du machst,
es gibt auch ein Mehrwert, das habe ich
auch alles nachgelesen. Aber wir können
schon froh sein, wenn wir unseren Status Quo
halten können.

N: Was ist jetzt wieder das?

J: Dass wir halt nicht noch mehr abrutschen!!!