Lyrik muss nicht antiquiert und elitär sein

Neue Reihe „Undercover“ will modernen Gedichten wieder Leben einhauchen

Die Lyrik hat es schwer, gilt sie doch weithin als sperrig, elitär und antiquiert. Um diese oft verschmähte Literaturgattung zu beleben und sie populärer zu machen, luden Autoren aus Frankfurt und Offenbach ins Blaue Haus am Mainufer zur ungewöhnlichen Lyriklesung namens „Undercover“.

Niederrad.

Es sollte keine „Wasserglaslesung im Elfenbeinturm“ werden, erklärte Marcus Roloff, Frankfurter Autor, Übersetzer und Lektor. Außerdem sollte es „um die Gedichte selbst gehen“, wie es eine weitere Autorin, Sandra Klose, Abiturientin aus Offenbach, formulierte. Zur Lyriklesung „Undercover. Frankfurter Autoren und ihre Lieblingsgedichte“ lud man das Publikum am Donnerstagabend daher ins Blaue Hause am Niederräder Mainufer - einen Ort, der für eher ungewöhnliche, aber moderne Kulturveranstaltungen bekannt ist. Und die Namen der Autoren, deren Gedichte vorgetragen wurden, verschwieg man vor und während der Lesung, um einer vorschnellen Wertung seitens des Publikums vorzubeugen. Inhalt und Form der Gedichte sollten für sich selbst sprechen. Es waren nämlich keine Werke von Roloff, Klose oder den beiden anderen Frankfurter Autoren, Julia Mantel und Martin Piekar, sondern Lieblingsgedichte dieses Quartetts, die in den vergangenen zwei Jahren veröffentlicht wurden.
Sie wollten „eine Lanze brechen“ für die moderne Lyrik, sagte Julia Mantel, denn die Lyrik habe es schwer: Es ließe sich kein Geld damit verdienen, weshalb Verlage pleitegingen. Marcus Roloff verdeutlichte das Dilemma: „Die Leute, die Lyrik kaufen, sind meistens auch die, die Lyrik schreiben“ - ein kleiner Zirkel also, gilt die Lyrik doch vielen als das ungeliebte Stiefkind unter den Literaturgattungen.

Zu elitär?

Zu sperrig, schwer verständlich und antiquiert lautet die Kritik häufig, zumal die Assoziationen meist unbeliebte Begriffe aus der Lyrikanalyse wachrufen: Alexandriner und Hexameter, Jambus oder Zäsur. Müßige Stunden aus dem Deutschunterricht oder dem Grundseminar der Germanistik werden da wach sowie Namen, die im Zeitalter der Popkultur nicht eben „angesagt“ sind: Goethe und Schiller, Heine und Celan - Männer mit Feinsinn für Glück und Schönheit zwar, aber auch für das Dunkle, Morbide und vor allem das Komplizierte. Der Vorwurf des Elitären eilt der Lyrik stets voraus, von Roloff mit der „Wasserglaslesung im Elfenbeinturm“ benannt.
Die Undercover-Lesung hielt man deswegen mit dem Vorsatz ab, Lyrik populärer zu machen, weshalb moderne Texte und die Interaktion mit dem Publikum in den Vordergrund rückten. Nach jedem Gedicht wurde abgestimmt, ob aus dem jeweiligen Gedichtband noch ein weiteres Stück Poesie gehört werden sollte. Und es wurde diskutiert, was an dem Text gemocht wurde und was nicht.

Viele Gespräche

Moderator und Initiator Jannis Plastargias sowie die vier Autoren debattierten so mit immerhin über 30, sich rege mitteilenden Lyrik-Interessierten über Sinn und Unsinn eines Schriftbildes in reiner Kleinschreibung, den Einsatz des Et-Zeichens, (&) anstatt eines ausgeschriebenen „und“ oder ob Textpassagen als ironisch oder als kitschig zu bewerten wären. Zwar ging es mitunter auch dabei etwas kompliziert zu, doch blieb die Atmosphäre stets locker und wenig elitär.
Zum beliebtesten Gedichtband wurde am Ende „Ich lebe in einem Wasserturm am Meer, was albern ist“ von Carl-Christian Elze gewählt, erschienen im Verlag Luxbooks aus Wiesbaden. Dass der daraus zuletzt vorgetragene Text ausgerechnet von kopulierenden Fliegen handelte - wobei der Begriff kopulieren hier ein sehr umgangssprachliches Wort ersetzt - sorgte für Verstimmung und Freude gleichermaßen: Er zeigte eindrücklich auf, wie nahe sich Ordinäres und Zartes in heutiger Lyrik sein können.
Jannis Plastargias freute sich hinterher, dass sogar mehr geredet wurde, als er gedacht hätte, womit sich das Ziel der Lesung, das Gespräch über Lyrik zu beleben, also erfüllte. Einer angekündigten Wiederholung des Abends steht nichts im Weg.

(Thorben Pehlemann)

Frankfurter Neue Presse vom 26. Oktober 2013

3 Responses to “Lyrik muss nicht antiquiert und elitär sein”

  1. Julia Says:

    Also mir hatte es Spaß gemacht Gedichte zu schreiben. In meinem Band 2008 war ich sogar - bei gleichem Thema - Günter Grass vorgeeilt und nie vergesse ich, als man mir sagte: Wer liest heute Gedichte? Dann, einige Jahre später kam Grass, er verfasste sein Gedicht und die Diskussion nahm ihren Lauf. Ich glaube ich hätte ihm mein Gedicht schenken sollen. In eine Zeile schrieb ich: Wohl dem, der keine Feinde hat, wohl dem der niemandem Feind ist. Die Reaktion hätte ich gerne erfahren.

  2. Julia Says:

    dies ist ein kommentar von lisa fellerhof.

  3. LiFe Says:

    What have I done?