saupe
Saupe ging in seiner kleinen Wohnung auf und ab. Gerade hatte er sie gewienert bis ins Detail, alle Stühle hochgestellt, die Teppichflicken an die Seite gerollt, hin- und her geputzt, die Ecken von Spinnweben befreit und anschließend den braunen Inhalt des Eimers in den Gulli auf dem Hof entleert, den Lappen darüber ausgewrungen.
Jetzt glänzten die wenigen Quadratmeter, die er zur Miete wohnte unter den ersten Strahlen des Sonnenuntergangs, die zum kleinen Fenster reinschienen.
Saupe schnaufte. Eines der T-shirts, die er jeden Tag trug, bei Sonne, bei Regen, bei Schnee, zeigte Spuren seines Einsatzes: unter den Achseln färbten sich die Ränder dunkel.
Er war glücklich. Er könnte einen Baum umarmen oder irgendetwas ähnliches.
Von draußen hörte er leise das Gackern der Hühner in den Legebatterien. Über 19.000 waren es insgesamt. Hier hatte es ihn hinverschlagen und es war nicht leicht gewesen, diese Stelle zu finden. Drüben war rein gar nichts zu bekommen.
Seine Frau gehörte zu den Privilegierteren. Sie war Chefin eines Supermarktes in einem Vorort von Leipzig. Für ihn gab es keinen Platz. Als gelernter Schlosser hatte er zu DDR-Zeiten immer Arbeit gehabt. Nach der Wende hatte sich so vieles geändert und ihn und seine T-shirts wollte niemand mehr einstellen.
Saupe schnaufte. Wie die Zeit verging. Jetzt war schon wieder fast Herbst.
In ein paar Monaten würde seine Frau schon wieder Weihnachtsbäume verkaufen,. Am Eingang des Supermarktes würde sie sie platzieren, gleich neben den Einkaufswagen.
Er musste lachen. Dieses Geräusch, wenn sich Wagen in Wagen schob oder wenn man eine Münze oben in die Öffnung steckte, wie es seit ein paar Jahren vorgesehen war und irgendwo dazwischen seine Frau in weissem Kittel mit einer Plakette drangesteckt-die Sicherheitsnadel musste beim Waschen des Kittels immer entfernt werden und seine Frau strich, während der eine Kittel schon in der Waschmaschine trommelte, immer über die „Einstichlöcher“ des zweiten Kittels, damit nichts ausfranste.
Seine Frau. Seine resolute Frau. 27 Jahre waren sie jetzt schon verheiratet und zum Kinderkriegen war keine Zeit gewesen. So kam es ihm zumindest vor.
Er roch an seiner Bettdecke, während die Sonnenstrahlen sich immer dunkelroter färbten.
Seine Frau. Ihr Kittel, so weiß wie diese Bettdecke, an der er gerade roch. Ihr großer Busen voller Sommersprossen. Ihr krauses Haar, das inzwischen von einigen grauen Strähnen durchzogen war. Ihr Gesicht. Zu Hause war sie immer ungeschminkt. Ihre sächsische Sprache. Am Feierabend massierte er oft ihren Rücken oder ihre Füße. Sie war meist müde von der Arbeit und den Jogging-Touren durch den großen Supermarkt. Ihre Stimme war dann oft rauh und man konnte ihren Atem hören. Sie zwei hatten es sich gemütlich gemacht.
Ob er sie anrufen sollte? Was sollte er sagen? Ich komme auch ohne dich zurecht? Mein T-shirt muss gewaschen werden? Ich weiß nicht, was das genau bedeuten soll „sich vermissen.“?
Er zog die Bettdecke noch fester zu sich. Seine Frau hatte eigentlich immer einen Rat parat.
So leicht war sie nicht unterzukriegen.
Wenn sie lachte, und das tat sie immer ziemlich laut, wackelte dabei ihr Busen.
Als sie sich Ende der Sechziger kennenlernten, waren seine Freunde damals neidisch gewesen auf eine Frau mit so großem Busen.
Jetzt hatte sie, wie gesagt, oft Rückenschmerzen.
Sollte er sie anrufen? Die ostdeutsche lange Vorwahl und die drei Zahlen danach konnte er seit Jahrzehnten auswendig. Er würde ihr zu Weihnachten Nudeln mitbringen. Nudeln vom Hof und er könnte dann stolz sagen, dass er sie selber gemacht hätte.
Drei Päckchen Nudeln und ein Glas teure Pesto, das reichte ihm und ihr und damit marschierte er immer im T-shirt rauf und runter im ICE von Frankfurt nach Leipzig. Er war ein schnelles Tempo gewohnt. Er war kein Zögerer. Seine Bewegeungen waren zackig, ohne hastig zu sein, eher schon kernig. Er rauchte F6.
Seit er hier arbeitete, waren seine Oberarme muskulöser geworden.
Das hatte sogar seine Frau bemerkt.
December 7th, 2007 at 3:20 am
Dein Blog ist wirklich sehr gut. Wuerde mich freuen, wenn du auch mal bei mir vorbei schauen wuerdest. Habe es mal geschafft ein Kommentar in einen Blog zu schreiben.
December 22nd, 2007 at 1:38 am
Sehr guter Bericht und mit einer persoenlichen Note. Es gibt nicht viele Blogs die so gute Beitraege haben. Respekt ich nehme meinen Hut.
March 10th, 2009 at 5:10 pm
Ihr Blog gefällt mir wirklich gut. Der Artikel ist auch interessant. Beide Daumen hoch :)